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er Tod wird vielfach als Schreckgespenst wahrgenommen, denn er geht mit der Trauer der Angehörigen einher. Auch der Tote wird bemitleidet, da er nun nicht mehr am Leben teilnehmen darf. Es gibt jedoch auch Fälle, in denen der Tod der Erlöser ist. Bei schwerer, unheilbarer Krankheit und großen Dauerschmerzen kann er als Heilsbringer empfunden werden. Endlich ist das Leid vorbei, wie es auch Hermann Hesse schreibt:

„Am End' der Bahn, da steht der Tod / Kein Schreckgespenst, so bitter Sterben tut: / Klarheit und Friede. Alles ist dann gut.“

Was ist eigentlich Erlösung?

„Erlösung“ bezieht sich auf die Befreiung oder das befreit werden von einer Belastung, einem Leid, einer Schwierigkeit oder einem Zustand der Unvollkommenheit. Es kann eine positive Veränderung oder einen positiven Zustand symbolisieren, der erreicht wird, nachdem etwas Negatives oder Belastendes von einem genommen wurde. In einem spirituellen oder religiösen Kontext kann Erlösung auch die Befreiung von Sünde oder die Erreichung eines höheren Zustands der Erleuchtung oder Harmonie bedeuten. Es ist ein Zustand des inneren Friedens, der Zufriedenheit und der Befreiung von Leiden.

Der Tod stellt daher immer dann eine Erlösung dar, wenn der Betroffene vorab viel gelitten hat. Pflegekräfte und Ärzte kennen dies aus ihrem Alltag.

Sie können beobachten, dass einige Todkranke und manche Schmerzpatienten endlich zufrieden sind, wenn sie gehen dürfen. Dies weiß auch die 35-jährige Sarah zu berichten, die als Pflegekraft bereits einige Menschen in den Tod begleitet hat.

Der Tod als Erlöser: Erfahrungsbericht einer Pflegekraft

„Als Pflegekraft hatte ich das Privileg, Menschen in ihrem letzten Lebensabschnitt zu begleiten. Es gab Momente, in denen ich den Tod als eine Art Erlösung erlebt habe, was ich früher nicht für möglich gehalten hätte. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Geschichte einer älteren Dame, die seit Jahren an einer schweren neurodegenerativen Erkrankung litt.

Die Seniorin konnte nicht mehr eigenständig essen, sprechen oder sich bewegen. Sie war auf intensive Pflege angewiesen und ihr Zustand verschlechterte sich kontinuierlich. Ihr Blick war oft leer und es schien, als wäre sie in ihrem eigenen Körper gefangen. Es war für sie und ihre Familie eine unglaublich schwere und belastende Zeit.

Eines Tages verstarb die alte Frau friedlich im Schlaf. Obwohl es natürlich ein trauriger Moment war, spürte ich auch eine Art Erleichterung. Ich konnte sehen, dass ihr Leiden vorbei war, dass sie von den Qualen dieser Krankheit erlöst wurde. Es war, als hätte sie endlich Frieden gefunden, den sie so lange gesucht hatte.

Als ich mich mit der Familie austauschte, empfanden sie ähnliche Gefühle. Sie waren traurig über den Verlust ihrer Mutter, aber sie konnten auch verstehen, dass der Tod für sie eine Erlösung bedeutete. Sie waren dankbar, dass ihre Mutter nicht länger unter den Einschränkungen und Schmerzen dieser Krankheit leiden musste.

Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, dass der Tod manchmal als ein Akt der Befreiung und Erlösung betrachtet werden kann, insbesondere wenn eine Person unter langanhaltenden und unerträglichen Beschwerden leidet. Es hat mich auch daran erinnert, wie wichtig es ist, Menschen in solchen Situationen mit Mitgefühl, Würde und Respekt zu begleiten und die Bedürfnisse und Wünsche des Sterbenden sowie seiner Familie zu respektieren.“

Die Erlösung aktiv herbeiführen: Sterbehilfe und Euthanasie

Die aktive Sterbehilfe kann aus einer Perspektive der Autonomie und Selbstbestimmung betrachtet werden. Das Recht auf Selbstbestimmung bedeutet, dass eine Person die Kontrolle über ihr eigenes Leben und ihren eigenen Tod haben sollte. In Situationen schwerer Krankheit oder unerträglichen Leidens kann die aktive Sterbehilfe eine Möglichkeit sein, die Autonomie und Selbstbestimmung des Einzelnen zu respektieren.

Indem wir Menschen die Möglichkeit geben, über ihr eigenes Leben und Sterben zu entscheiden, ermöglichen wir ihnen, eine Wahl zu treffen, die ihren persönlichen Werten und Überzeugungen entspricht. Es kann ein Akt der Empathie und Fürsorge sein, jemandem zu gestatten, sein Leiden zu beenden, wenn er keine Aussicht auf Besserung sieht und ein würdevolles, qualitätsvolles Leben für ihn nicht mehr möglich ist.

Die aktive Sterbehilfe, wenn sie unter klaren rechtlichen und ethischen Rahmenbedingungen ausgeführt wird, kann den Menschen ein Gefühl von Frieden geben. Es ist ein assistierter Suizid, auf den sich viele Betroffene bereits freuen.

Wenn ein Entscheidungskonflikt besteht, dann liegt das zumeist an den Angehörigen. Der Leidende macht sich Sorgen um sie und zögert oft deshalb den Wunsch nach aktiver Sterbehilfe heraus. Er selbst fühlt sich jedoch gut mit dem Gedanken.

Gegner der aktiven Sterbehilfe argumentieren unter anderem, dass das menschliche Leben grundsätzlich einen Wert hat und dass es moralisch falsch wäre, aktiv dabei zu helfen, das Leben einer Person zu beenden - unabhängig von den Umständen. Für manche scharfe Kritiker steht auch das Argument im Raum, dass der Mensch auf diese Weise Gott spielen würde. Er wäre der einzige Erlöser.

Erlösung als Trost für Angehörige: ein zwiespältiges Verhältnis

Erlösung kann für Angehörige in Zeiten des Verlusts und der Trauer ein Trost sein. Wenn ein geliebter Mensch nach einem langen und schmerzhaften Leidensweg stirbt, kann der Tod als Erlösung von diesem Leiden gesehen werden. Es kann den Angehörigen Frieden bringen, indem sie wissen, dass ihr geliebter Mensch von den Schmerzen befreit ist und nicht länger leiden muss.

Nicht selten vermischt sich dieser Gedanke mit dem Gefühl der persönlichen Trauer. Engste Angehörige vermissen den Verstorbenen. Natürlich gönnen sie es ihm, endlich von Schmerz und Leid befreit zu sein, aber für sie selbst bleibt eine Lücke im Leben. Dies ist normal und jeder Angehörige hat das Recht, so zu fühlen. Es bedeutet nicht, dem Verstorbenen die Erlösung zu missgönnen. Vielmehr ist es ein Ausdruck vom „egoistischen Teil“ der Liebe. Der selbstlose Teil der Liebe hingegen sagt, dass es für die Person besser war, zu sterben. Beide Teile lassen sich nicht immer miteinander vereinen. Sie gehen quasi eine Co-Existenz ein.

Doch das ist okay so, denn das Leben und der Tod sind voller widersprüchlicher Gefühle und Gedanken. Eine der größten Herausforderungen unseres Daseins ist, mit Widersprüchen wie diesen zurechtzukommen und ihre Co-Existenz zu akzeptieren.

Der Frieden der Erlösung

Erlösung ist ein positives Wort. Ganz gleich, ob sie aktiv herbeigeführt wird oder nicht, sie kann Frieden in der Seele stiften. Sie steht nicht im Gegensatz zum ewigen Leben und der Unsterblichkeit im spirituellen Sinne. Stattdessen ist sie ein Geschenk, das angenommen werden möchte. Leicht ist das für Angehörige oft nicht, aber dennoch steckt in der Erlösung Trost. Wer das akzeptieren kann, kann akzeptieren, dass manche Menschen bewusst die Erlösung suchen – nicht leichtfertig, nicht egoistisch, nicht aus einer Laune heraus. Sie möchten sich selbst und andere von ihrem Leid befreien, für das es keine Besserung mehr gibt. Wieso sollten sie das nicht dürfen?

Weitere Informationen und Quellen zum obigen Thema:

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Photo by Aamir Suhail on Unsplash

Publiziert am
Jul 29, 2023
 in Kategorie:
Der Tod

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