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as Einfrieren von Lebensmitteln, um sie länger haltbar zu machen, ist erprobt und altbekannt. Jeder von uns nutzt Tiefgekühltes. Doch klappt dies auch mit dem Menschen? Wäre es dann möglich, ihn irgendwann in der Zukunft aufzutauen und somit unsterblich zu machen? Schauen wir uns an, was aktuell die Wissenschaft über die sogenannte Kryokonservierung, die auch als Kryostase bezeichnet wird, sagt.

Kryokonservierung: Was ist das?

Kryokonservierung ist ein Prozess der langfristigen Lagerung von biologischem Material wie Zellen, Geweben oder Organen bei extrem niedrigen Temperaturen, typischerweise bei minus 196 Grad Celsius in flüssigem Stickstoff. Der Prozess wird auch als "Kyrolagerung" bezeichnet.

Kryonik (von altgriechisch κρύος kryos, deutsch ‚Eis, Frost‘) ist die Kryokonservierung (auch Kryostase) von Organismen oder einzelnen Organen (meist dem Gehirn), um sie – sofern möglich – in der Zukunft „wiederzubeleben“. (Wikipedia)

Während des Kryo-Konservierungsprozesses werden die Zellen oder das Gewebe mit einer Schutzlösung gemischt, um Schäden durch das Einfrieren zu minimieren. Das Material wird dann in einen speziellen Behälter gegeben, der allmählich auf eine sehr niedrige Temperatur abgekühlt wird. Sobald die Probe vollständig eingefroren ist, wird sie in flüssigem Stickstoff aufbewahrt, um die Temperatur konstant zu halten und eine langfristige Lagerung zu ermöglichen.

Die Einsatzbereiche der Kryokonservierung sind vielfältig. So wird sie in der Medizin und Forschung eingesetzt, um biologisches Material für spätere Untersuchungen, Experimente oder Transplantationen zu lagern. Beispielsweise können Stammzellen aus Nabelschnurblut kryokonserviert und später für die Behandlung von Krankheiten wie Leukämie oder Sichelzellanämie verwendet werden. Auch in der Tierzucht wird die Kryokonservierung von Spermien oder Embryonen eingesetzt, um die genetische Vielfalt einer bestimmten Tierart zu erhalten oder zu verbessern.

Kryokonservierung hat aber auch ihre Grenzen. So gibt es derzeit keine Methode, um komplette, große Organe über einen langen Zeitraum einzufrieren. Lediglich für eine Verlängerung der Transportzeit ist es möglich, Organe auf Trockeneis kurzfristig zu lagern und zu einem weiter entfernen Krankenhaus zu bringen.

Verfahren des Einfrierens

Die Medizin setzt derzeit erfolgreich unterschiedliche Verfahren ein, um Zellmaterial längerfristig einzufrieren.

Slow-Freezing:

  • unter dem Einsatz von Frostschutzmitteln, um die Eiskristallbildung zu unterbinden
  • schrittweises, langsames Herunterkühlen der Zellen
  • Lagertemperatur minus 196 Grad Celsius

Vitrifikation:

  • unter dem Einsatz von Frostschutzmitteln, um die Eiskristallbildung zu unterbinden
  • schockgefroren mit Kühlrate von minus 10.000 Grad Celsius pro Sekunde
  • letztlich erstarrt das Gewebe

Das Einfrieren und Auftauen von Zellen sind überaus komplex. Erfolgt das Einfrieren nicht richtig, ist die Bildung von Eiskristallen möglich, was die Zellen zerstört. Nicht unproblematisch ist ebenfalls das Auftauen. Hierbei ist es wichtig, sehr schnell zu sein, um wiederum die Eiskristallbildung zu umgehen. Außerdem kann es passieren, dass die kaputte Zelle dehydriert. Vielleicht kennst du das von Obst, das nach dem Auftauen matschig ist.

Bei komplexen Systemen wie einem Organ kommt hinzu, dass es sich aus verschiedenen Zelltypen zusammensetzt. Sie haben unterschiedliche Gefriereigenschaften, was zu berücksichtigen ist. Ein weiterer Punkt betrifft das Gewebe, welches bei Organen dicker ist. Dadurch dringen die Frostschutzmittel für die Kryokonservierung schlechter ein.

Den Tod überwinden: Wieso entscheiden sich manche Menschen für den Kryoschlaf?

Stand Jahr 2022 befinden sich mehr als 500 Menschen in den USA und in Russland im Kryoschlaf. Eigentlich ist dies kein Schlaf, denn vor dem Einfrieren muss die Person klinisch tot sein. Sie hat also weder Herzschlag noch Atmung. Für die Konservierung wird das Blut in den Adern durch Frostschutzmittel ersetzt. Die Idee ist, dass irgendwann in der Zukunft Mediziner kommen, um diese Menschen wieder aufzutauen und damit aus dem Kälteschlaf aufzuwecken. Bei einigen bezieht sich diese „Schlafbehandlung“ auf den kompletten Körper und bei anderen nur auf das Gehirn. 

Klingt nach den Experimenten des Dr. Frankenstein? Ja, denn derzeit ist es nicht einmal möglich, große Organe einzufrieren. Anhänger der Kryokonservierung argumentieren allerdings, dass der Mensch vor 200 Jahren auch nicht dachte, es könne Autos oder Flugzeuge geben. Wieso sollte daher die Kryostase nicht Zukunftsmusik sein! Zweifelsohne besteht bei diesen Personen der große Wunsch, durch futuristische Medizin den Tod auszutricksen. Dies wäre dann eine ganz neue Version der Wiedergeburt.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Kryonik eine sehr kontroverse Praxis ist, da es keine wissenschaftlichen Beweise dafür gibt, dass es in Zukunft möglich sein wird, einen eingefrorenen Körper oder ein Gehirn wiederzubeleben. Darüber hinaus bestehen erhebliche und berechtigte ethische Bedenken in Bezug auf die möglichen Auswirkungen auf das Individuum und die Gesellschaft, wenn diese Technologie tatsächlich entwickelt werden würde. Aus diesen Gründen wird die Kryonik nicht von der medizinischen Gemeinschaft unterstützt und wird als pseudowissenschaftliche Praxis betrachtet.

Wie teuer ist der Kryoschlaf?

Wer tiefgekühlt werden möchte, muss einige bürokratische Hürden beseitigen. In Deutschland und in einigen anderen Ländern ist diese Form der „Körperbehandlung“ nicht erlaubt. Es ist daher eine Überführung nach Russland oder in die USA erforderlich, denn dort gibt es legale Einrichtungen für den Kryoschlaf. Preiswert ist dieser allerdings nicht. Für das Einfrieren des ganzen Körpers fallen mindestens 30.000 Euro an. Einige Institute verlangen Beträge im sechsstelligen Bereich.

Was denkt die Wissenschaft von der Kryonik?

Die Meinungen von Wissenschaftlern und Experten bezüglich der Kryonik sind geteilt. Ein Großteil der Experten lehnt die Kryonik als pseudowissenschaftliche Praxis ab, da es keine wissenschaftlichen Beweise dafür gibt, dass es möglich ist, eingefrorenes Gewebe oder Gehirne erfolgreich wiederzubeleben und zum Leben zu erwecken.

Einige wenige Wissenschaftler argumentieren, dass die Kryonik in der Theorie funktionieren könnte, wenn die Technologien und medizinischen Fortschritte in der Zukunft weit genug entwickelt sind, um die Probleme zu überwinden, die mit der Wiederbelebung von eingefrorenem Gewebe verbunden sind. Dagegen halten andere Mediziner und Biologen dagegen, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, eingefrorenes Gewebe jemals wiederbeleben zu können. Eine zu große Anzahl an technischen und biologischen Herausforderungen würden sich nie lösen lassen.

Kryoschlaf zum Weiterleben: letztlich Science-Fiction

Aus technischer bzw. medizinischer Sicht mag die Kryostase eine gewisse Faszination ausüben. Vermutlich kommt der Kryoschlaf auch deshalb in so manchem Science-Fiction-Roman vor. Eines darf bei dieser Version für die Unsterblichkeit in der Zukunft jedoch nicht vergessen werden:

Ein Kryoniker ist der Meinung, dass das menschliche Bewusstsein lediglich etwas Materielles ist - eine aufwendige Verflechtung von Neuronen. 

Die Existenz unseres Bewusstseins, unserer Gefühle und unserer Wahrnehmung von Gut und Böse, richtig und falsch, begründe sich nur auf der Entwicklung des Gehirns. Nach seinem Dafürhalten, würden Wiedergeburt, Reinkarnation, Nahtoderfahrungen und die unsterbliche Seele damit „auf Eis gelegt“ werden.

Und was passiert, wenn die Seele beim Kryoschlaf den Körper verlassen würde? Immerhin beschreiben viele Menschen, die Nahtoderlebnisse hatten, genau dies. Und wenn dies der Fall ist, welche Seele, wenn überhaupt, belebt und bewohnt dann den aufgetauten Körper? Wären solche biochemisch erweckten Körper nicht seelenlose Zombies? Weitere Gedankenspiele schließen sich hier an, die eine beträchtliche gesellschaftliche Auswirkung haben könnten: Manch labiler Mensch würde vielleicht vor seinen Problemen mithilfe des Einfrierens flüchten und hoffen, nach dem Auftauen sei alles anders? Menschen könnte ein späteres, besseres Leben versprochen werden, wenn sie in Wirklichkeit einfach nur „beseitigt“ werden sollen. Schwarze Gedanken, aber nicht unrealistisch. In einer nicht zu weit entfernten futuristischen Gesellschaft wäre dies durchaus denkbar. Was diese Aspekte für die Menschheit bedeuten, ist noch nicht komplett abschätzbar, lässt aber nichts Gutes erahnen. 

Weitere Informationen und Quellen zum obigen Thema:

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Photo by Mika Ruusunen on Unsplash

Publiziert am
Apr 27, 2023
 in Kategorie:
Digitale Unsterblichkeit

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