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n den letzten 150 Jahren ist die durchschnittliche Lebenserwartung um eindrucksvolle 40 Jahre gestiegen. Die Anzahl der Hundertjährigen, auch Supercentenarians genannt, hat sich erhöht. Dennoch scheint es eine magische Grenze zu geben. Viel älter als 80 Jahre werden die meisten Menschen nicht. Das mag Angst machen. Oder ist der Tod eine Erlösung? Möchtest du für immer leben? Wäre dies wünschenswert? Hier sind ein paar Gedankenanstöße.

Der ewige Wunsch des ewigen Lebens

In der Geschichte der Menschheit finden sich zahlreiche Gedankenspiele zum ewigen Leben. Mythen, Legenden und Sagen handeln davon. Uns reizt der Gedanke, denn auf einmal würde uns die Zeit nicht mehr limitieren. Bei all diesen Überlegungen steht eines im Fokus: Wir müssten GESUND ewig leben. Deswegen forschen Wissenschaftler auf der ganzen Welt auch daran, den Alterungsprozess zu verlangsamen und altersbedingte Verfallserscheinungen zu reduzieren. Letzteres gelingt übrigens dem Nacktmull. Das Nagetier ist immun gegenüber Herzproblemen, Krebs und Osteoporose, da seine DNA sehr reparierfreudig ist. Sterben muss das kleine Säugetier dennoch – zumeist mit um die 20 Jahre, was für ein mausartiges Wesen erstaunlich lange ist.

Derzeit gehört uns weder die Ewigkeit, noch ist ein Altern ohne die lästigen Alterserscheinungen möglich.

Sie lassen sich durch eine verbesserte Medizin zwar lindern oder ein wenig verzögern, aber wir können uns von ihnen nicht frei machen. Würdest du gern ewig leben und in einem alten, von Gebrechen geplanten Körper gefangen sein? Viele sehr betagte Senioren empfinden nicht umsonst den Tod irgendwann als Erlösung.

Doch wie wäre es, wenn du ohne die schmerzhaften, einschränkenden Altersbeschwerden ewig auf der Erde leben könntest? In welchem Lebensalter würdest du verharren wollen? Das ist gar keine leichte Entscheidung, obgleich es auf den ersten Blick so erscheint.

Was würde ein ewiges irdisches Leben bedeuten?

Diese Frage zieht eine riesige Anzahl weiterer Fragen nach sich – in medizinischer, biologischer, moralischer, ethischer und philosophischer sowie psychologischer Hinsicht. Wenn du alle Zeit der Welt hast, müsstest du dein Leben neu planen. Du könntest anstelle von einem Beruf, zahlreiche Berufe ausüben. Aber würdest du die einzige Person sein, die ewig lebt? Dann würdest du kontinuierlich geliebte Menschen an den Tod verlieren und befändest dich in einem steten Lernprozess, um dich auf der Erde zurechtzufinden. Die Welt würde sich fortwährend weiterentwickeln und du müsstest dich all den neuen Technologien sowie gesellschaftlichen Veränderungen anpassen.

Wärst du nicht der einzige Mensch, der ewig leben könnte, sondern es gäbe viele davon, würde die Welt vor neuen Herausforderungen stehen.

Wenn alle Menschen ewig leben würden, wie ließe sich das logistisch lösen? Wenn nur einige unendlich leben dürften, wer würde bestimmen, wer das ist?

Wieso gibt es diesen Wunsch nach ewigem irdischen Leben? Unsterblich zu sein, ist ein Wunsch vieler. Dahinter verbergen sich vor allem Ängste:

  • Angst vor dem Tod
  • Angst vor dem Verlust von geliebten Menschen
  • Angst etwas zu verpassen
  • Angst vor der Nichtexistenz
  • Angst vor dem Verlust der Wahrnehmung

Doch wenn wir uns diesen Ängsten intensiver widmen, sind viele von ihnen zutiefst irrational. Warum? Weil das Sterben zum Leben gehört. Der Tod hingegen gehört nicht zum Leben, sondern er ist vielmehr die Grenze des Lebens. Der Betroffene – also der Tote – nimmt den Tod nach Epikur selbst nicht wahr. Somit ist auch nicht der Verstorbene zu betrauern, sondern vielmehr seine Angehörigen, die ihn vermissen.

Angst vor dem Tod ist unbedeutend

Der griechische Philosoph Epikur lebte zwischen 341 v. Chr. und 270 v. Chr. Seine Abhandlungen zum Tod sind bis heute von großer Bedeutung. Für ihn liegt alles Positive und Negative in der Sinneswahrnehmung. Durch den Tod, sagt er, wird unsere Wahrnehmung aufgehoben und damit auch das Gute und Schlechte. Für den Menschen ist es nun bedeutungslos, weswegen auch der Tod bedeutungslos für den Verstorbenen sei.

Umso wichtiger sei es nach Epikur, im Hier und Jetzt ein gutes Leben zu führen, ohne Furcht vor dem Jenseits zu haben. So seien Tod und Leben unabhängig voneinander: „Der Tod [...] geht uns nichts an, denn solange wir sind, ist der Tod nicht da, und wenn der Tod da ist, sind wir nicht mehr“.
Epikur meinte aber nicht, den Tod deswegen zu negieren oder Gedanken daran komplett auszublenden. Selbstverständlich denken wir über das Sterben und den Tod nach. Vielmehr sei es nach dem griechischen Philosophen wichtig, eine gesunde Einstellung zum Tod zu bekommen und ihn nicht verklärt zu betrachten.

Für Epikur wird die Seele bzw. der Geist nicht nach dem Ableben in eine Umgebung kommen, die der Erde ähnelt. Für ihn existieren Himmel und Hölle nicht.

Das mag manchen Menschen die Hoffnung nehmen. Epikur würde auf diesen Aspekt vermutlich antworten: „Wieso ist diese Vorstellung von Wichtigkeit? Wenn mit dem Tod die Wahrnehmung ausgelöscht wird, muss ich den Tod nicht fürchten.“

So ganz verneint der Philosoph die Seele jedoch nicht, wie in seinem Lehrgedicht „De rerum natura“ nachzulesen ist. Er schreibt, dass es „im wirklichen Tod kein zweites Selbst geben wird, welches lebendig und in der Lage wäre, sein Ableben zu betrauern“. Allerdings würde eine Seele bleiben, der sich keine Eigenschaften zuordnen lassen. Sie verbindet er mit dem Konzept der Wiedergeburt: „Jedermanns Materie wird gebraucht, damit künftige Geschlechter wachsen können“. Die Erinnerung an das Selbst sei allerdings unterbrochen. Dieses Gedankenkonzept erinnert unweigerlich an die Quantenphysik und den damit verknüpften Theorien zu einem Sein nach dem Tod.

Einfach nur leben

Die kurzen Ausführungen zu dem komplexen Thema offenbaren dir, wie viele mögliche Ansätze es zur Fragestellung „Ist ewiges irdisches Leben wünschenswert?“ gibt. Es existieren jedoch noch viele weitere, die den Rahmen hier sprengen würden. Um sich dem Thema von einer anderen Seite zu nähern, bietet es sich an, sich auch mit unseren weiteren Texten zur (Un)sterblichkeit zu widmen.

Und noch ein Zusatz an dieser Stelle: Wenn du keinen Zweifel an einer unsterblichen Seele – in welcher Form auch immer – hast, dann fürchtest du den Tod auch nicht.

Und wenn du den Tod nicht fürchtest, ist ein ewiges irdisches Leben auch nicht mehr so erstrebenswert. Oder? Was auch immer deine Vorstellung vom Sterben, von der Unsterblichkeit und vom Tod ist, das Wichtige ist, das Jetzt zu gestalten und aus dem Leben das Beste zu machen.

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Photo by Mohamed Nohassi on Unsplash

Publiziert am
May 31, 2021
 in Kategorie:
Ewiges Leben

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